Kölns Theaterscene ist derzeit Rückkehr und Aufbruch zugleich. “Rückkehr“, weil sie mit „Moliere“ zu einem alten Komödiendichter unserer Zeit zurückfindet. “Aufbruch“, weil eben dieses Theater in der Regie von Frank Castorf zu modernen Darstellungen, Aussagen und Wertungen findet. Diese Aktualisierung von Moliere soll hier Anlass sein, Leben und Werk des Dichters in der Perspektive der reichen wissenschaftlichen Forschung, die Moliere zuteil geworden ist, nochmals Revue passieren zu lassen. Es liegt nahe, sich dabei auf die Darstellung „Moliere“ von Jürgen von Stackelberg als Leitfaden zu stützen ,die Wesensmerkmale des dichterischen Werks herausgearbeitet hat.
Zunächst stellt sich Moliere als ein Mann der Bühnenpraxis ,ein homme de theatre, dar, dem das Schauspielerische wichtiger als das Literarische war. Aber -als Zweites sei es herausgestellt-er psychologisierte seine Gestalten und schuf damit die Charakterkomödie mit Menschen von Fleisch und Blut. Dabei bettete er die Handlung in das Geschehen seiner eigenen Zeit ein, er aktualisierte die Handlung, das dritte Kriterium seiner Arbeit. Dann kam das Lachen als viertes Kriterium hinzu. Moliere wollte ein „lachender Zeitkritiker“ sein. Eigentlich war er aber ein“ lachender Denker“. Und alle dem lag als fünftes Kriterium eine gewisse Philosophie zu Grunde.
Will man diese thesenartigen Aussagen etwas untermauern, so sei angeraten, Moliere „scenisch zu lesen“, um der Wertigkeit von Schauspielerischem und Literarischem Ausdruck zu verleihen. Man wird Moliere gerecht, wenn das Tempo des Gesprochenen, das Beiseite sprechen ,alles das und vieles mehr sich gegenseitig ergänzend dargeboten werden. Übrigens war Moliere insoweit ein gelehriger Schüler der italienischen Schauspielkunst. Geradezu zwangsläufig ist mit der schauspielerischen Höherbewertung des Stückes dessen Psychologisierung verbunden. Sie ist wohl, eng bezogen auf den Menschen Moliere, zu sehen ,wird doch immer wieder behauptet, der Dichter habe gewisse Stücke nur so schreiben können, weil er sich selbst darzustellen in der Lage gewesen wäre. Ohne Frage gehört das Lachen zur Komödie. Dass diese Darbietungsform eine solche Bedeutung erlangte, war sicherlich der vom König eingeräumten Möglichkeit zuzuschreiben, Komödien mit Musik, Tanz und Gesang zu durchsetzen und so aufzuführen. Eine grosse Anzahl von Ballettkomödien kam auf den Markt. Die Erwähnung des Lachens als Bestandteil der Komödie führt uns zu der Philosophie, die der Komödie zugrunde liegt. Es ist die Philosophie des gesunden Menschenverstandes, die Philosophie der Mitte ,die hier praktische Anwendung findet.
So stellt sich Moliere nicht nur als ein homme de theatre sondern eben auch als ein Psychologe dar, der ein kritischer Beobachter seiner Zeit und vor allem ein grossartige Komiker ist, als der er auch heute noch bekannt und allseits geschätzt ist.
Herwig Nowak